Unglück
Das Drama am Fluss
VON ANDREA HAMANN, 20.02.12, 21:21h, aktualisiert 20.02.12, 21:32h
Trauer in Weißenfels. (FOTO: DPA)
WEISSENFELS/MZ. Den dritten Tag hintereinander ist am Montag in Weißenfels nach dem sechs Jahre alten Jungen gesucht worden, der am Samstagnachmittag zusammen mit seiner ein Jahr jüngeren Schwester verschwand. Während die Fünfjährige noch am Samstag tot in der Saale gefunden wurde, fehlt von dem Jungen jede Spur. Zwischen Hoffen und Bangen bewegt sich der Gemütszustand der Rettungskräfte wie der Bewohner, die an dem Geschehen großen Anteil nehmen. Viele wollen helfen und halten Ausschau nach dem kleinen Jungen. Noch immer gibt es Hoffnung, er könnte sich irgendwo versteckt haben.
Von Booten aus wird die Saale weiter abgesucht. Die Ufer werden in Augenschein genommen. Helfer brechen die ufernahen Eisflächen auf, um darunter nachschauen zu können. Die Retter sind bis zum Einbruch der Dunkelheit ohne Pause im Einsatz - oft bis an die Grenze der Erschöpfung. Am Dienstag soll weiter gesucht werden.
Inzwischen werden allerdings auch Fragen gestellt, wie es zu der Tragödie kommen konnte. Auch in der Familie der beiden kleinen Kinder versucht man, Antworten zu finden. Die große Schwester, 21 Jahre alt, hat am Montag das Gespräch mit der MZ-Lokalredaktion gesucht. Mitgenommen sieht sie aus, aber sie will über die schrecklichen Ereignisse sprechen. "Niemals hätte meine Mutter meine Geschwister alleine auf den Spielplatz gehen lassen", sagt sie. Ihr kleiner Bruder habe die Mutter gefragt, ob er zu seinem Freund spielen gehen darf, erzählt die junge Frau mit brüchiger Stimme. Das habe der Kleine wie schon in früheren Fällen gedurft. Denn das Wohnhaus des Spielkameraden befindet sich nur wenige Meter entfernt vom eigenen Zuhause. Was in dem Moment keiner bemerkt habe - die kleinere Schwester ist dem Jungen offenbar nachgelaufen.
Kurze Zeit später habe die Mutter das Verschwinden des Mädchens entdeckt. "Sie hat sofort meine andere Schwester losgeschickt, um nach den Kleinen zu suchen." Als die 14-Jährige unverrichteter Dinge zurückkommt, sei in der Familie Panik aufgekommen. Auch die große Schwester und deren Freund fangen an zu suchen. Während sich die Mutter in ihr Auto setzt und die Gegend abfährt, klingeln die Geschwister in der Nachbarschaft an den Haustüren und fragen die Menschen auf der Straße nach den zwei kleinen Kindern. Die verzweifelten Bemühungen der Familie bleiben ergebnislos. Niemand hat die Kinder gesehen.
"Da hat meine Mutter nicht mehr gezögert und die Polizei informiert", erzählt die große Schwester und hat Tränen in den Augen. Sie versteht nicht, wieso die Kleinen weggelaufen sind, "das haben sie noch nie gemacht". Die jüngeren Geschwister seien eher ängstliche Kinder. "Sie wollen nicht einmal alleine in das Badezimmer gehen", sagt sie. Es sollte am besten immer jemand mitkommen. Deshalb kann sie auch nicht glauben, dass die beiden Kinder allein auf den Spielplatz gelaufen sein sollen und dann sogar noch zum Saaleufer und auf das Eis.
"Wenn sie zu diesem Spielplatz an der Saale wollten, ist immer eines von uns älteren Geschwistern mitgegangen und hat aufgepasst", sagt sie. Klar wird für die große Schwester an dem Sonnabendnachmittag nur, dass der kleine Bruder tatsächlich zum Nachbarhaus gegangen ist. Doch der Spielgefährte sei nicht da gewesen. Dessen Vater habe den Jungen wieder nach Hause geschickt.
Später erfahren sie, dass Bewohner des nahe am Spielplatz gelegenen Pflegeheims in dem betreffenden Zeitraum Kinder dort gesehen haben wollen. Der Pressesprecher des Polizeireviers Burgenlandkreis, Jörg Bethmann, bestätigte gegenüber der MZ, dass Polizeihunde an dem Spielplatz auch Spuren aufgenommen haben. Es sei daher zwar klar, dass die Kinder an dem Nachmittag dort waren, aber man wisse vorerst nicht, an welcher Stelle das am Sonnabend tot geborgene Mädchen in die Saale geraten ist.
Die Lage des Spielplatzes wirft auf jeden Fall Fragen auf. Der Platz befindet sich nur wenige Schritte vom Flussufer entfernt. Eine Sicherung zur Saale wie beispielsweise einen Zaun gibt es nicht, lediglich ein paar Büsche stehen an dieser Stelle. Ob man dort überhaupt einen Spielplatz anlegen kann und ob man die Anlagen dann nicht besser sichern müsse, wird jetzt in Weißenfels diskutiert.
Oberbürgermeister Robby Risch (parteilos) sieht zumindest kein Fehlverhalten auf Seiten der Verwaltung. Der Spielplatz sei vor mehr als zehn Jahren gebaut worden. "Die Stadt lebt mit dem Fluss, wir können den nicht einzäunen", sagt er auf eine entsprechende Frage der MZ am Montagnachmittag während einer Pressekonferenz. Aber die Ereignisse seien Anlass, noch einmal nachzudenken, ob man an dem Spielplatz etwas ändern müsse.
Quelle www.mz-web.de
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